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Jörn-Matthias Lehmann
Rechtsanwalt
Es ist selten geworden, dass ein Familiengericht in einer Kindschaftssache keinen Verfahrensbeistand bestellt, der die Interessen des Kindes unabhängig von jenen der Eltern vertreten soll. Das bedingt sich schon allein durch die steigende Zahl strittiger Trennungen und der damit ebenso steigenden Zahl von Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren. Betroffene Eltern wissen mit der Funktion des Verfahrensbeistandes oft wenig anzufangen, verstehen nicht, worin genau seine oder ihre Aufgabe liegt und nicht selten werden die Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes fälschlich sogar als “Gutachten” bezeichnet.
Verfahrensbeistände sind in der überwiegenden Mehrheit
(sozial-)pädagogische Fachkräfte, Juristen - dann häufig mit Zusatzqualifikation
- wobei keine zwingenden Qualifikationskriterien existieren. Theoretisch kann das
Gericht jede beliebige Person zum Verfahrensbeistand bestellen, sofern keine
unmittelbare Befangenheit für eine elterliche Seite absehbar ist, zum Beispiel
durch Blutsverwandtschaft. In aller Regel durchlaufen Verfahrensbeistände
spezifische Weiterbildungen insbesondere im pädagogischen Bereich, gleichermaßen
muss ein Verfahrensbeistand über die rechtlichen Rahmenbedingungen in
familienrechtlichen Verfahren im Bilde sein, um seine Aufgabe tatsächlich
wahrnehmen zu können.
Wird ein Verfahrensbeistand durch das zuständige
Gericht bestellt, begleitet dieser gewöhnlich das jeweilige Kind durch alle
weiteren anhängigen Verfahren. So sind diese umgangssprachlichen “Anwälte der
Kinder” oft über Jahre hinweg an laufenden Fällen beteiligt und begegnen den
betroffenen Eltern und Kindern immer wieder, beispielsweise zunächst im Rahme
eines Verfahrens um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, dann weiter in einem
Verfahren um das Umgangsrecht und letztlich erneut in einem Verfahren um das
Sorgerecht allgemein. Gerichte vermeiden gewöhnlich einen Wechsel des bereits
in den Fall eingearbeiteten Verfahrensbeistandes. Ihn elternseitig “los” zu
werden ist nahezu unmöglich. Befangenheit ist kein Argument, denn der
Verfahrensbeistand darf und muss parteiisch sein, eben für das von ihm
vertretene Kind. Zu einer kooperativen Zusammenarbeit existiert im Grunde keine
wirkliche Alternative.
Umgangssprachlich auch als “Anwalt des Kindes”
bezeichnet nimmt der Verfahrensbeistand eben diese Aufgabe wahr – mit einer
wesentlichen Abweichung zur Tätigkeit eines “richtigen” Anwaltes: Zu seiner
Aufgabe gehört auch, das tatsächliche Interesse des Kindes festzustellen und
ggf. zu prüfen, ob der durch das Kind geäußerte Wille authentisch ist, also
tatsächlich den Wünschen des Kindes und nicht etwa den Beeinflussungen eines
Elternteils entspringt und mit den objektiven Interessen des Kindes vereinbar
ist. Abhängig vom Alter des Kindes kann das bedeuten, dass der
Verfahrensbeistand feststellt, dass ein Kind tatsächlich glaubwürdig äußert,
lieber beim anderen Elternteil leben zu wollen, dies allerdings seinen
objektiven Interessen entgegensteht, zum Beispiel weil die Betreuungsmöglichkeiten
dort nicht vorhanden oder die Erziehungsfähigkeit des Elternteils fraglich ist.
Der wesentliche Schwerpunkt der Aufgabe liegt ohne
Zweifel darin, die subjektiven Interessen der Eltern von den objektiven
Interessen des Kindes zu unterscheiden. So begründen in aller Regel beide
Elternteile entgegenstehende Anträge jeweils mit dem Kindeswohl und der
Ausführung, der ihrerseits vorgelegte Antrag entspreche den Interessen des
Kindes. Allerdings können die unmittelbar betroffenen Eltern die objektiven
Bedürfnisse des Kindes innerhalb eines so komplexen Rahmens wie eine Trennung
ihn erzeugt in aller Regel nicht (mehr gänzlich) unverfälscht erkennen. Die
eigenen Wünsche und Interessen vermischen sich mitunter und ersetzen teils die
Interessen des Kindes sogar vollständig.
Tatsächlich folgen die Familiengerichte
mehrheitlich den Vorschlägen und Anregungen bestellter Verfahrensbeistände.
Dabei kann ein Verfahrensbeistand - muss es aber nicht - einen Antrag im Namen
des Kindes stellen, zu jedem das Kind betreffenden Antrag der Eltern nimmt der
Verfahrensbeistand jedoch Stellung und gibt somit seine Bewertung und
Einschätzung der Situation aus Sicht des Kindes wieder. Diesen Stellungnahmen
fällt auch Gewicht zu, allerdings deutlich nicht das Gewicht eines Antrages im
Namen des Kindes durch den Verfahrensbeistand. Praktisch kann man beobachten,
dass der Antrag eines Verfahrensbeistandes einer Art Veto-Funktion ähnelt. Gibt
der Verfahrensbeistand lediglich eine Einschätzung ab, obliegt es dem
Richter/der Richterin, dieser zu folgen oder auch nicht. Reicht jedoch der
Verfahrensbeistand im Namen des Kindes einen eigenen Antrag ein, kann das als
Veto gegen gegensätzlich lautende Anträge aus das Kindeswohl berührenden
Gründen betrachtet werden.
Für große Verunsicherung sorgt bei beteiligten
Elternteilen immer wieder die Frage, ob und inwiefern der Verfahrensbeistand
für die Eltern (im laufenden Verfahren) ansprechbar ist. Es existieren
zweifellos gewisse Berührungsängste und auch die Sorge, den Eindruck zu
erwecken, den Verfahrensbeistand beeinflussen zu wollen, treibt viele um.
Umgekehrt wird häufig befürchtet, der Verfahrensbeistand könnte sich auf “die
andere Seite” schlagen.
Tatsächlich ist die Rolle des Verfahrensbeistandes
für die Elternteile sehr nützlich und hilfreich – sofern sie verstehen, worin
diese besteht. Da die Parteilichkeit des Verfahrensbeistandes für das Kind ausdrücklich notwendig ist, bringt die Beteiligung im Verfahren einen - meist
pädagogischen - Fachansprechpartner ins Spiel, der - auf Nachfrage - den Eltern
jeweils rückmelden kann, inwiefern er oder sie Diskrepanzen zwischen den von
den Eltern angenommenen und den tatsächlichen Kindesinteressen sieht. So kann
ein Verfahrensbeistand als wertvoller Sparringspartner fungieren.
Zu beachten ist dabei jedoch, dass es zwei
unterschiedliche Bestellungen zum Verfahrensbeistand durch das Gericht gibt.
Grundsätzlich ist Aufgabe des Verfahrensbeistands, dass er mit dem Kind redet
und seine Interessen in dem Verfahren wiedergibt.
Das Gericht kann in besonderen Fällen dem
Verfahrensbeistand weitere Aufgaben übertragen, so zum Beispiel dann auch
Gespräche mit den beteiligten Eltern.
Die hierfür maßgebliche Norm ist im FamFG, dem
sogenannten Familienverfahrensgesetz, zu finden, welches nachstehend
wiedergegeben wird:
§ 158 Verfahrensbeistand
(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.
(2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich,
1. wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2. in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt,
3. wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
4. in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben, oder
5. wenn der Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
(3) 1Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. 2Er wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. 3Sieht das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. 4Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.
(4) 1Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. 2Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. 3Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. 4Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen. 5Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. 6Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes.
(5) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden.
(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird,
1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder
2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.
(7) 1Für den Ersatz von Aufwendungen des nicht berufsmäßigen Verfahrensbeistands gilt § 277 Abs. 1 entsprechend. 2Wird die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt, erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 4 in jedem Rechtszug jeweils eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 Euro. 3Im Fall der Übertragung von Aufgaben nach Absatz 4 Satz 3 erhöht sich die Vergütung auf 550 Euro. 4Die Vergütung gilt auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Verfahrensbeistandschaft entstandener Aufwendungen sowie die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer ab. 5Der Aufwendungsersatz und die Vergütung sind stets aus der Staatskasse zu zahlen. 6Im Übrigen gilt § 168 Abs. 1 entsprechend.
(8) Dem Verfahrensbeistand sind keine Kosten aufzuerlegen.
Nachweis erfolgreiche Teilnahme am Zertifikatskurs
Verfahrensbeistand in Kindersachen / Umgangspfleger