Veröffentlicht am 8. Februar 2022 von Legal News
Dem leiblichen Vater eines Kindes steht ein Umgangsrecht auch dann zu, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist.
In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lebt die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Samenspenders gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Ihre Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Samenspenders im Wege der sogenannten Stiefkindadoption. Der Samenspender hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Samenspenders. Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Samenspenders zu dem Kind ab. Der Samenspender hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kita abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Samenspenders ist vom Berliner Kammergericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe. Auf die Rechtsbeschwerde des Samenspenders hat der Bundesgerichtshof den Beschluss des Kammergerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen:
Zwar ist ein Umgangsrecht nach § 1684 BGB nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zusteht und damit für den Samenspender als nur leiblichem Vater ausscheidet. Auch ein Anspruch aus § 1685 Abs. 2 BGB (Umgangsrecht von engen Bezugspersonen) besteht nicht. Hierfür ist erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.
Dagegen ist ein Anspruch gemäß § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB (Umgangsrecht des leiblichen Vaters) grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Nach § 167 a Abs. 1 FamFG sind Anträge nur zulässig, wenn der Samenspender an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, zumal dem privaten Samenspender im Unterschied zur „offiziellen Samenspende“ bei ärztlich unterstützter Befruchtung nach § 1600 d Abs. 4 BGB auch die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt wäre. Auch die durchgeführte Adoption schließt das Umgangsrecht nach § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht aus. Insofern besteht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der – vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten – durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Dass der Samenspender in die Adoption eingewilligt hatte, steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte. Dies steht auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sieht für die sogenannte offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor.
Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteilt sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei hat der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern zu respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.
Das Kammergericht hat nach Zurückverweisung des Verfahrens nunmehr zu prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anzuhören.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Juni 2021 – XII ZB 58/20